Freitag, März 29, 2024
Laut Sportwissenschaftler Thomas Horky «ist die Schere zwischen den Sportarten in den letzten Jahrzehnten immer weiter auseinandergegangen». Foto: Witters GmbH/dpa

Randsportarten: Mit Streams und Promis zu mehr Zuschauern

München (dpa) – Maxim zieht den F-Bauern und die Stimmung kippt.

«In Schachclubs wird der F-Bauer festgeklebt», schimpft Schachgroßmeister und Moderator Jan Gustafsson über die unscheinbare Figur schräg vor dem König auf dem Feld «F», die Maxim während einer Partie in der Sendung «Zugzwang» zu Gustafssons Frust bewegt hat.

Maxim Markow ist Entertainer auf der Livestreamplattform Twitch. Mit professionellem Schach hat er genauso wenig zu tun wie Schach mit einem populären TV-Sport. Und doch verfolgen die Partien auf dem Internetsender Rocket Beans mit mehr oder weniger bekannten Personen aus dem Internet mitunter mehr als 100.000 Fans.

«Unterhaltung statt Sportberichterstattung»

Verwunderlich, da Schach, wie so viele andere Sportarten, in der öffentlichen Wahrnehmung kaum eine Rolle spielt. Auch Alexander Walkenhorst, deutscher Meister im Beachvolleyball, hat in seiner Sportart mit geringem Zuschauerinteresse zu kämpfen. Trotzdem hat er sich entschieden, die Partien der Volleyball-Bundesliga selbst auf Twitch auf dem Kanal «Spontent» zu übertragen.

Wie bei den Rocket Beans zielt er auch auf Unterhaltung, statt sachlicher Sportberichterstattung. Und so gibt es Memes, Sprüche, Instagramvideos der Spieler und Anekdoten aus der Welt des Sports.

Ein Konzept, das nicht neu ist, wie Sportwissenschaftler Thomas Horky weiß: «Solche Angebote sind total spannend, weil es eben diese Verbindung aus Sport und Entertainment gibt und damit der mögliche Kreis an Aufmerksamkeit deutlich vergrößert wird.» So könne eine Randsportart populärer werden, so Horky. Denn: Neben Fußball tun sich alle Sportarten in Deutschland schwer.

Höchste Einschaltquoten beim Fußball

Die zehn deutschen TV-Übertragungen mit der höchsten Einschaltquote bestehen ausnahmslos aus Spielen der Fußball-Nationalmannschaft. Dass der Fußball derart populär ist, erklärt Horky so: «Wenn in Deutschland ein Fußballspiel zwischen zwei Ländern übertragen wird, muss ich dem Zuschauer nicht groß und breit die Bedeutung dieses Spiels erklären – er weiß eben schon sehr viel und er kann durch einfache Hinweise die Spannung und Bedeutung sofort erkennen. Das fällt ihm bei jeder anderen Sportart schwer.»

Was sich in der Theorie einfach anhört, hat schwere Folgen in der Realität. «Das führt dazu, dass die Schere zwischen den Sportarten eigentlich in den letzten Jahrzehnten immer weiter auseinandergegangen ist», erklärt Horky.

Ein Mechanismus, den Walkenhorst mit seinen Twitch-Übertragungen zur Volleyball-Bundesliga unbedingt umgehen möchte. «Erreiche die Leute da, wo sie sich noch nicht entschieden haben, wofür sie sich interessieren», rät der deutsche Meister im Beachvolleyball.

Walkenhorst: «Konsumverhalten hat sich verändert»

Sein Konzept, mit viel Unterhaltung die Sportformate für eine junge Zielgruppe aufzubereiten, möchte er jedoch nicht als Entertainment missverstanden wissen. Stattdessen sieht der 33-Jährige seine Art als «zielgruppengerechte Aufarbeitung von Sport». Seine Art sei schlicht zeitgemäß, «weil sich das Konsumverhalten und die Sprache verändert» haben.

Auch Rocket Beans setzt mit dem Schachformat «Zugzwang» auf eine unkonventionelle Art. Statt um nüchternes Schach geht es mehr um Spaß und gute Unterhaltung. «Ich mag den Ansatz, ich mag die Leute und als Schach-Kommentator habe ich das Problem, dass ich mich beim Schach-Kommentieren nicht immer nur für Schach interessiere», erklärt Gustafsson der Deutschen Presse-Agentur.

Und so duellieren sich aus dem Internet bekannte Entertainer auf dem digitalen Brett, während die Moderatoren Gustafsson und Etienne Gardé auch gerne abschweifen. So geht es um Geschichten rund um Promi-Begegnungen in Hotels, einen Ehestreit um eine homöopathische Behandlung der Kinder oder die neueste Folge vom «Bachelor». Eine Formel, die aufzugehen scheint. Mittlerweile ist «Zugzwang» in der fünften Staffel angekommen.

Seiferts neues Streamingangebot

Mit dem ehemaligen Manager der Deutschen Fußball Liga (DFL), Christian Seifert, greift ein weiterer Interessent nach Randsportarten. «Wir holen Sportarten aus der zweiten Reihe und stellen sie in die erste», sagte der 53-Jährige, der zusammen mit Axel Springer einen Streaminganbieter für diverse Sportarten anbieten will, im Februar. Aber: «Fußball ist außen vor, weil es dafür bereits genügend Plattformen und eine sehr breite Nachfrage gibt.» Vielleicht könnte stattdessen Schach eines Tages zum Angebot gehören.

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